Nach George Floyds Tod: Gespräch mit Dr. Rebecca Brückmann

Am 10. Juni 2020 lud das DAIS die Historikerin Jun.-Prof. Dr. Rebecca Brückmann ein, um nach George Floyds Tod über die anhaltenden Proteste gegen Polizeigewalt und Rassismus in den USA zu sprechen. Das Zoom-Gespräch wurde von Dr. Sebastian Herrmann vom Institut für Amerikanistik in Leipzig und dem DAIS-Geschäftsführer, Eric W. Fraunholz, moderiert und live übertragen. Neben den zahlreichen Gästen, die den Livestream verfolgt haben, konnten ∂as Gespräch etwa 20 Gäste, unter Einhaltung der Hygiene- und Abstandsregeln, im Vortragssaal des GRASSI Museums erleben.

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Dr. Brückmann erläuterte, dass es verschiedene Narrative zu der Civil-Rights-Bewegung gibt. Eine davon basiert auf der Annahme, dass die Bewegung 1954 mit der Brown vs. Board of Education-Entscheidung beginnt und mit Martin Luther King und seiner Ermordung endet. Ein zweites Narrativ sei, dass die Bewegung bereits 1930 entstanden ist und bis heute anhält. Je nachdem, wie man die Bürgerrechtsbewegung versteht, sind die derzeitigen Proteste also eine Fortführung oder eine Neuauflebung.

Ein weiterer Themenschwerpunkt der Veranstaltung war die Black-Lives-Matter-Bewegung, die 2012 von drei Frauen gegründet wurde. Anders als oftmals behauptet, war die Bewegung, so Dr. Brückmann, weit mehr als nur ein Hashtag, sondern eine Bewegung, die einen ganzen gesellschaftlichen Fragen- und Forderungskatalog aufmachte. Deshalb ist sind die Proteste von vor acht Jahren auch heute noch aktuell.

Diskutiert wurden außerdem Fragen über die Erinnerungspolitik in Deutschland und den USA und die Macht der Bilder. Ein eindrücklicher Vergleich aus der Geschichte ist zum Beispiel das weltweit bekannt gewordene Bild von Emmett Till. Der 14-Jährige wurde 1955 aus rassistischen Motiven ermordet. Seine Familie entschied, den Sarg des Jungen bei der Beerdigung geöffnet zu lassen. Sein vom Lynchmob zertrümmerter Körper sollte die Schrecken des Rassismus sichtbar machen. Sein Bild ging um die Welt und war ein Schlüsselmoment der Bürgerrechtsbewegung. Ähnlich funktionierten auch die verstörenden Bilder von George Floyds Ermordung. Sie machten strukturellen Rassismus sichtbar und konkret.

Um die Vereinnahmung und das Wirken der Proteste außerhalb der Black-Lives-Matter-Bewegung ging es zum Ende des Gesprächs. Dr. Brückmann regte an, dass Weiße Menschen ein Bewusstsein dafür schaffen sollten, was sie in ihrer unmittelbaren Umgebung und in ihren Familien tun können, um die Proteste zu unterstützen. Black Lives Matter selbst sei dezentral organisiert und schwer von anderen Gruppen einzunehmen. 

Wir danken Dr. Rebecca Brückmann für die wichtigen und interessanten Einsichten. Das Gespräch hat uns dabei geholfen, die Proteste besser historisch einzuordnen und ihre transatlantische Relevanz zu verstehen.